PodcastSML 001 Säure

11. Mai 2021
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In dieser Folge:

Säure in Lebensmittel

Säuren bezeichnet chemische Stoffe, welche Protonen (H+ Ionen) abgeben können und dabei eine saure Umgebung schaffen. Dieser Säuregrad kann mit dem pH-Wert gemessen und verglichen werden. Auf einer pH-Skala von 0-14 werden Lösungen mit einem pH-Wert unter 7 als sauer bezeichnet. pH 7 bezeichnet eine neutrale Lösung wie Wasser. Eine Zitrone mit einem pH-Wert von 2.4 wird dementsprechend als sauer bezeichnet. Säuren werden auf der Zunge durch Geschmackszellen wahrgenommen und im Gehirn als sensorische Wahrnehmung verarbeitet. Der pH-Wert alleine dient nur bedingt der sensorischen Säurebestimmung, da beispielsweise ein hoher Zuckergehalt wie bei Coca Cola der Fall die sensorische Wahrnehmung von Säure beeinträchtigen kann. Vom pH-Wert alleine sind sich Coca Cola und Essig sehr ähnlich – sensorisch erscheint Coca Cola jedoch weniger sauer als Essig.

Milchsäure

Milchsaure Produkte wie Sauerkraut, Joghurt, Käse oder auch Sauerbiere enthalten Milchsäure, die durch Milchsäurebakterien hergestellt werden. Milchsäurebakterien findet man überall in der Natur und sind für den Menschen mit gesundem Immunsystem nicht gefährlich. Häufig findet man Milchsäurebakterien schon im unvergorenen Rohprodukt wie zum Beispiel beim Kohl, das zu Sauerkraut verarbeitet wird. Die Milchsäurebakterien verstoffwechseln verschiedene Zuckerarten (beispielsweise Milchzucker) und stellen unter anderem Milchsäure her. Der dafür benötigte Gärprozess benötigt häufig keinen Sauerstoff.

Essigsäure

Im Gegensatz zur milchsauren Vergärung der Milchsäurebakterien benötigen die Essigsäurebakterien Sauerstoff um aus Alkohol Essig herzustellen. Auch Essigsäurebakterien findet man überall in der Natur. Sauerstoff, Alkohol und Essigsäurebakterien sind genug, um aus einer geöffneten Weinflasche und etwas Zeit den Wein in Weinessig zu verwandeln.

Ohne Säure geht nichts

Ohne Bakterien und deren Gärprozesse würde die Menschheit womöglich nicht existieren. Lebensmittel können durch kontrollierte Gärungen länger haltbar gemacht werden und dabei auch wichtige Vitamine erhalten. Ein historisch wichtiges Beispiel betrifft Sauerkraut. Skorbut ist eine Vitamin C Mangelkrankheit, die besonders unter Seeleuten bis ins 18. Jahrhundert verbreitet war und viele Todesopfer forderte. Frische Früchte und Gemüse konnten nicht sehr lange auf den Schiffen eingelagert werden und musste relativ schnell verzehrt werden. Sauerkraut enthält viel Vitamin C und ist aufgrund seiner milchsauren Vergärung sehr lange haltbar. Also ein sehr geeignetes Lebensmittel für lange Seereisen, um Skorbut vorzubeugen. Wobei bezweifelt werden darf, ob häufiger Konsum von Sauerkraut für gute Moral auf den Schiffen sorgte.

Sauer heisst nicht verdorben

Heute kann die Haltbarkeit von Lebensmitteln mit Additiven oder mit Kühlen verlängert werden. Sauer vergorene Produkte verloren an Bedeutung, wurden altmodisch und das Wissen ging nach und nach verloren. Auch die Wahrnehmung von Säure verlor an Bedeutung und der allgemeine Geschmackssinn der Menschen hat sich in Europa verändert. Viele saure Lebensmittel werden mit Süssstoffen versetzt und häufig auch nicht mehr als saures Lebensmittel erkannt. Die Wahrnehmung von Säure ist für viele ungewohnt und wird heute häufig mit verdorben oder schlecht abgestempelt. Die letzten Jahre haben jedoch diese alte Art der Haltbarmachung wieder aufleben lassen und so machen heute wieder viele zu Hause ihr eigenes Sauerkraut oder Sauerteigbrote. Dieser Trend geht einher mit der sensorischen Wiederentdeckung und der Einsicht, dass vergorene oder sauer eingemachte Lebensmittel ein einzigartiges und sensorisches Geschmackserlebnis sein kann. Sauer macht Lustig!